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17.04.2009 Berlin - Dirk Michaelis + Gisela Steineckert Bericht: Agnes
Nur knapp eine Woche nach meinem ersten Konzertbesuch im Alten Ballsaal zog es mich erneut dorthin. Dirk Michaelis und Gisela Steineckert gaben eine gemeinsame Konzert-Lesung. Von Dirk Michaelis kannte ich bis dato nur zwei Songs. Ein einziges Mal habe ich ihn schon live erlebt. Das war 2000 zum Brandenburgtag in Frankfurt (Oder). Schon damals war es sein mit der Gruppe „Karussell“ erfolgreichster Song „Als ich fortging“, den er Solo am Klavier vortrug. Kaum vorzustellen, dass es davon inzwischen weltweit ca. 20 Coverversionen gibt, ja sogar ein Duett mit José Carreras. Auf myspace gibt’s diese Version zu hören. So erfolgreich war/ist dieser Titel sicherlich auch, weil der aussagekräftige Text von Gisela Steineckert stammt, eine der mitunter bekanntesten Schriftstellerinnen in der damaligen DDR. Sie hat nicht nur Liedtexte, sondern auch unzählige Bücher, Gedichte und Kurzgeschichten geschrieben. Und sie schreibt heute immer noch. Ein Lied von ihr kenne ich allerdings sehr gut. Immer zum Kindertag, und davon habe ich dann noch einige in der DDR erlebt, schallte Frank Schöbels „Komm wir malen eine Sonne“ aus dem Lautsprecher. Damals wusste ich nicht, dass der Text von ihr stammt. Eigentlich war das Konzert schon ausverkauft. Ein Anruf, noch am selben Tag, gab mir jedoch ein Fünkchen Hoffnung, trotzdem reinzukommen. Als ich ankam sollte ich mich noch eine halbe Stunde gedulden und an einen Tisch im Restaurant setzen. Ich ging und visierte einen Tisch an. Erst bemerkte ich gar nicht, wer da nur ein paar Meter vor mir stand; so im Anzug, und ein paar Jährchen liegen ja auch schon dazwischen, als ich ihn das letzte mal live gesehen habe. Aber er war es – Dirk Michaelis in Person. Nein, ich habe ihn nicht angesprochen, erst nach dem Konzert. Er ging dann auch schon in den Nebenraum und setzte sich an einen Tisch, an dem, wie ich erst im Nachhinein wusste, Gisela Steineckert saß. Vermutlich besprachen sie den Ablauf des Abends. Mein Warten hatte sich gelohnt. Ich wurde zur Kasse gerufen. Einige Reservierungen wurden nicht abgeholt. Des Einen Pech war mein Glück. Ich wurde zu meinem Platz begleitet. Hey, und ich hatte sogar zwei zur Auswahl. Der erste war irgendwo ganz außen am Fenster. Nein, den wollte ich nicht. Der andere war direkt an der Bar. Für den entschied ich mich. So saß ich nahe an der Bühne, auch wenn ein Pfeiler im Wege war. So musste ich eben links vorbeischauen um Dirk Michaelis, leider nur seitlich, und rechts vorbeischauen, um Gisela Steineckert zu sehen. Dafür war aber ein Lautsprecher in meiner Nähe, so konnte ich beide wenigstens sehr gut verstehen. Neben mir nahm dann noch ein Pärchen Platz. Der Mann erzählte mir so Einiges über Frau Steineckert. Er ist gut befreundet mit ihr. Er verriet mir auch das Alter. 78 Jahre! Das hätte ich nun ganz und gar nicht geschätzt. In der Pause habe ich ihr das gesagt, dass man ihr Alter ihr überhaupt nicht ansähe. Sie meinte zu mir, dass sie die Tour überhaupt nicht anstrenge, obwohl sie übermorgen schon wieder in Rostock seien. Ich sprach ihr meinen Respekt dafür aus. Sie gab mir dann noch ein Autogramm in mein DDR Rock & Pop Buch; neben dem Abschnitt, in dem sie wie folgt erwähnt wird: „… Verwunderlich an dieser poetischen Beschreibung des Niedergangs eines ganzen Landes war nur, dass der Text dafür von der Lyrikerin Gisela Steineckert stammt, die seit 1984 auch Präsidentin des Komitees für Unterhaltungskunst war. …“ Gemeint ist der Text zu „Als ich fortging“. Mein Sitznachbar verriet mir, dass sie eine überzeugte Sozialistin war, aber dennoch auch Kritik in ihren Texten übte. Ich erfuhr auch, dass sie bereits das vierte Mal verheiratet ist. Wenn sie also aus ihren Werken „Das schöne an den Frauen oder „Das schöne an den Männern“ rezitiert, spricht das wohl von sehr sehr viel Lebenserfahrung.   Diese Texte leben von der Rhetorik, der Mimik und Gestik, von der offenen, humorvollen, ironischen Art einer Gisela Steineckert. Ich habe mir fest vorgenommen, ein Buch von ihr zu lesen. Aber auch Dirk Michaelis stand an diesem Abend in Nichts nach. Er sang und spielte unplugged mit Gitarre und am Klavier all seine Lieder -  „… so ist das schon seit Jahren so kommst und gehst Du immer wieder … vielleicht gesteh ich Dir heute all meine Lieder … all meine Liebeslieder …“ Sehr schmeichelhaft. Und wenn er singt Bleib hier heut´ Nacht, welche Frau würde sich da nicht angesprochen fühlen. Mit Charme und Charisma begeisterte er das Publikum. Sein neuester Songs heißt „Du hast´n Mann“. Dirk erzählte von seiner über 90 jährigen Oma Hertha, mit der er stets telefonisch in Kontakt ist und die immer auf dem Laufenden sein möchte, wo ihr Enkel unterwegs ist. Er zählte dann auf, dass er von Süd nach Nord, von Dresden bis nach Rostock unterwegs ist, und heute Abend eben in Berlin Friedrichshagen. Oma Hertha meinte wohl daraufhin, „Na, da kommst Du ja viel herum in der Welt“. Nicht nur Dirk schmunzelte. Den Song „Junge“ widmete er seinem Sohn, der mittlerweile seinen 19. Geburtstag feierte, wobei er als Vater nicht mehr mit Kindergeburtstagsspielen punkten konnte. Kurz vor Schluß stimmte er diese Wahnsinnsmelodie auf dem Klavier an und begann zu singen … als ich fortging … Wunderschön. Dann trat er nach vorn und das Publikum durfte sich einen Song als Zugabe wünschen. Es war „Wie ein Fischlein unterm Eis“; der andere Song, den ich bis dato von ihm kannte, allerdings nur von CD. Das Licht wurde heruntergefahren. Absolute Stille. Unter vollster Konzentration sang er a capella. Die Strophen etwas leiser und mit hoher sehr kraftvoller Stimme den Refrain. Gänsehaut. Noch in der Pause sagte ich zu meinem Sitznachbarn, dass „Ostkünstler“ ihr Handwerk von der Pike auf gelernt haben. Heutzutage können nicht mehr unbedingt alle Künstler live singen und schon gar nicht a capella. Ein Dirk Michaelis hat es bewiesen, dass er es kann. Respekt! Ja, es war ein schöner Abend. Eine herzliche Atmosphäre herrschte zwischen beiden. Gisela sagte zu Dirk: „ Ich hab Dich lieb“ und „Könntest Du nicht mein Sohn sein“. Zum Publikum sagte sie „Ich bin alt genug, um jeden Menschen umarmen zu dürfen, wenn ich möchte“. Und mit dem Satz „Das Schöne am Alter ist die Gelassenheit und die Erkenntnis, dass alles, was einem einmal gut getan hat, immer noch gut tut." beendete sie diesen Abend.