Ostmusik.de
© www.ostmusik.de 2015
28.02.2015 Halle - Falkenberg Bericht + Fotos: Agnes
Nein, ich habe lange Nichts mehr geschrieben. Es gab mal so eine Hochphase. Da war der Drang in mir so stark, meine Konzerterlebnisse, meine Gedanken aufs Papier zu bringen. Ja und ich wollte die Öffentlichkeit daran teilhaben lassen. Gestern meinte ich noch zu Peter, dass diese Phase wohl nicht so schnell wiederkäme. Aber vielleicht hat gerade er mich gestern doch wieder dazu ermutigt. Seit 2007 bin ich nun schon dabei. „Das ist Agnes - ein treuer IC Fan“, so hat mich Peter gestern Jemandem vorgestellt. Ja ich habe viele viele Konzerte von Falkenberg besucht. Irgendetwas hatte mich von Anfang an fasziniert. Seine Songs, seine Texte, seine Erzählungen, seine sympathische Art. Ich bin sozusagen hängen geblieben. Es war jedenfalls schön, dass Peter und ich uns gestern beim Record Release mal wieder getroffen haben. Er fragte mich, ob ich den „Meister“ den schon gesehen hätte. Nein, hatte ich nicht. Beide schauten wir auf die Uhr. 19.59 Uhr. Gleich würde es losgehen. Endlich!!! Ein neues Album. Neue Töne. Neue Texte. Die Erwartungen nach den Hörproben waren groß.  Pünktlich 20 Uhr betraten dann zunächst Bassist Adrian Kehlbacher, Schlagzeuger Friede Hentze und Gitarrist Thomas Hübel die Bühne. Der „Meister“ folgte Sekunden später und sofort ertönte rockiger E-Gitarrensound in doppelter Dosis aus dem Verstärker. „Geliebtes Leben“  der Titelsong des neuen Albums mit ein bisschen „Bla Bla Bla“ zwischendrin. „Jetzt geht der ganze Scheiß wieder von vorn los!“, so Falkenbergs Begrüßungsworte. Aber wer ihn kennt, weiß, dass das wohl nur ironisch gemeint war. „Vielleicht sollte ich das neue Konzertprogramm erst ein paar Mal woanders spielen und dann erst hier in Halle.“  Sprach da sein Lampenfieber? Ein neues Programm vor wieder mal ausverkauftem Haus im Kult-Objekt 5 in seiner Heimatstadt Halle an der Saale. Nein! Das geht nicht woanders, das muss dort, wo es entstand. Und weiter ging es mit dröhnendem Gitarrensound. „Dein Herz“ in einer neuen rockigen Variante. Daran hatte er sich auch schon im vorherigen Konzertprogramm versucht. Damals ein Hit. Vielleicht wäre es auch in dieser Version einer geworden.   Die ersten 3 Songs hatte Falkenberg trotz Lampenfiebers  mit Bravour über die Bühne gebracht. Darüber vergaß er sogar, die mitgebrachten Textvorlagen umzublättern. Dass das auch so funktionierte, hätte er damals schon in der Schule wissen sollen. So forderte er eine junge Frau aus dem Publikum, die direkt vor seinem Notenständer stand, auf, dies auf sein Zeichen hin zu tun.  Falkenberg geht auf den nächsten Song ein. Er erzählt wie er sich nach der Wende einen Traum erfüllte und nach Kanada reiste, wo er in Calgary ein Rodeo live miterlebte.Mehr noch als die Rodeoreiter beeindruckten ihn jedoch die Rodeoclowns. Zur Erklärung: Rodeoclowns sind diejenige, die die abgeworfenen Reiter vor weiteren Angriffen der Bullen schützen. Doch ihnen, die den eigentlichen Job machen, gebührt nicht der Ruhm. Sie sind die stillen Helden. Ihnen widmet Falkenberg diesen Song.   Und während er seinen Narben ein Lied singt, klingt ein wenig Wehmut mit. Wie auch im nächsten Song „Grandios gescheitert“. Denn wenn man scheitert, so Falkenberg, dann richtig. Mit seiner Konzertgitarre spielte er auf die Zeit an, wo er nach seinem Zusammenbruch „alles blieb stehn ich war nicht mehr an“, zum Nichtstun verdammt war „Noch ein Tag ein Tag ohne mich“, das muss einem Workaholic, wie ihm, nicht leicht gefallen sein.  Mit einer Prise Ironie und Sarkasmus knöpfte sich Falkenberg mit seiner Duisenberg dann die Menschen vor, die schon mit einem goldenen Löffel im Mund geboren werden. Jetsets. Immer nah dran am Geschehen auf den „krassen Partys in Berlin“. Und während Andere nur Statisten bleiben, reden sie über ihr Leben, „als wärs ´n ganz besonderer Independentfilm“. Nach vielen schwer getragenen Gitarrensounds, gab´ s dann erstmal einen Ausflug in die Romantik. „Deine tanzenden Vögel“ widmete Falkenberg der „schönen Liebe“, so leicht und unerreicht. Ein Wendepunkt in seinem Leben, denn „Lieder vom Abschied will ich nicht mehr schreiben“, singt er. Nein, verabschieden muss sich Falkenberg noch lange nicht, auch wenn er in letzter Zeit oft auf Friedhöfen zu Beerdigungen seiner Freunde war. Seine besten Sommerjahre verdankt er seinen Freunden und Sympathisanten. In „Staub“ seinem „Testament“, einem weiteren rockigen E-Gitarrenstück besingt er, was er nach seinem Ableben will oder noch vielmehr nicht will. So vom ersten Reinhören war dieser Song einer meiner Favoriten, wie er es wohl für viele Andere auch werden wird.  Dann endlich wechselte Falkenberg ans Piano. Näher der Bar verlangte es ihm nach einem Bier. Als er es auf die Bühne gereicht bekam, prostete er uns allen zu. „Ihr kriegt nüscht, weil ihr habt ja nicht mal einen Ausweis“ witzelte er. Während er spielte fing er zu erzählen an: „Es gibt immer Einen, der nichts auf Tasche hat und trotzdem rennen ihm alle hinterher.“ Er nennt sie die „Menschensammler“. Dabei forderte er seinen Bassisten auf, mit dem ganzen „Gelumpe“ (seinen kleinen Instrumentarien) ein wenig näher zu kommen. Dieser Song wirkte schon aus den Hörproben heraus ein wenig befremdlich auf mich. Seltsame Klänge wie aus einer Spielekiste. Diese sollten nun Adrian Kehlbacher und wir, das Publikum, nachahmen. Falkenberg versucht in seinen Konzerten  immer mal wieder sein Publikum mit einzubeziehen und das gab sich sichtlich Mühe bei den „Hui Buh“ Zwischenrufen. So wird’s auch nie langweilig. Nach diesem gespenstischen Intermezzo sprach Falkenberg ein wirklich ernstes Thema an. Lampedusa. Flüchtlingsdramen, die sich tagtäglich vor Europas Küsten abspielen. Er stellt sich und uns die Frage: „Was würdest Du tun, wenn Dein Land ein Krieg wär und Dir nichts mehr bleibt als diese einzige Wahl?“ Er weiß, wovon er singt, denn seine Eltern, seine Tanten, aus Riga stammend, waren damals im Zweiten Weltkrieg auch Flüchtlinge.  Wer glaubt, da müsste doch jetzt eigentlich mal eine Pause kommen, der irrt. Falkenberg spielte dieses Mal sein Programm durch. Nach den Songs vom neuen Album durften seine Occupy-Hymne „Vor den Kathedralen“, sein „Freiheit“ Song oder auch sein Bekennersong zum  „Osten“ nicht fehlen, genauso wie sein Lieblingslied „So nah vom nächsten Meer“. Mit „Auf den Wiesen der Kindheit“ trifft er auch immer den Nerv der Zuhörer, die sich an ihre Kindheit erinnert fühlen. Erschreckend, wie er erst kürzlich herausfand, dass Babys nach der Geburt, sofort eine Steuer-ID bekommen und er dem einzigen Kind im Publikum, einem Mädchen, entgegnete, wie es denn mit Kinderarbeit aussähe. Schmunzeln. Dieses Mädchen ist Schülerin vom Bandschlagzeuger Friede Hentze und es sollte noch am Schluss des Konzertes, eine ganz besondere Rolle spielen.  „Ist es nicht so etwas, was zählt? Einem Kind Musik, nahe zu bringen, anstatt ihm die Fernbedienung in die Hand zu drücken?“ Falkenberg sprach daraufhin noch ein Projekt von Adrian Kehlbacher an, der mit seinem Bass zu den Erstklässlern in die Schule geht. Musik zum Anfassen.  „Eine Nacht“ ein Song, der auch immer dabei ist. Allerdings gefällt er mir in der neu eingesungenen Pianoversion besser. Als dann die Band die Bühne verließ, ließ sich Falkenberg zu „Mann im Mond“ hinreißen. Dann sollte schon Schluss sein. Falkenberg bedankte sich bei Allen, die gekommen waren, denn wir waren nicht dort „wo alle sind“. Dieser Song entwickelte sich mit der Zeit zum Rausschmeißer. Und jetzt kommt noch einmal das kleine Mädchen ins Spiel. Dieses vergaß Falkenberg nämlich total, als er sein Publikum animierte, den Refrain lauthals mitzusingen und sich dabei nicht zu scheuen, das Wort „Ficken“ auszusprechen. Alser es dann erst wieder in der ersten Reihe bemerkte, fragte er sie, ob sie mal ein Schlagzeug-Solo spielen möchte. Am liebsten jedoch hätte er sie „geblitzdingst“. Da Falkenberg sich wie im Cabaret fühlte, war es sowieso schon egal: „Wir ziehen die ganze Sache jetzt trotzdem durch.“ Das Publikum verlor nach und nach die Hemmungen. Im Finale mit Einsatz der gesamten Band sangen alle im Chor: „Wo alle sind, will ich nicht sein, denn wo alle sind, ist alles egal. Und wo alles egal ist, ist Freiheit nur Schein und alle ficken die Moral!“ Auf dem Album gibt es auch zwei Instrumentalstücke. Schade! dass Falkenbergdiese nie live spielt. Würden doch „Vom Anfang“ ein wunderschönes Konzertintro und „Bis zum Ende“ einen grandiosen Bühnenabgang abgeben. Was ich nochvermisste, ist auch eins meiner Favoriten vom Album. „Das Lied N8“, in dem Falkenberg beschreibt, wie in schlaflosen Nächten „auf der Suche nach den besten Worten“ sein erstes Lied dieses Tages entsteht. Aber vielleicht bekomme ich das alles ja dann doch noch einmal live zu hören. Der Wunsch ist der Vater des Gedanken.  Worauf ich hier noch hinweisen möchte, ist, dass nach dieser wieder mal sehr gelungenen Premiere in Halle an der Saale auch dort, in einem Saal der Franckeschen Stiftungen, sein Jahresabschlusskonzert stattfinden wird. Termin ist der 12.12.2015. Es wird ein ganz besonderes Konzert mit Streichern und Falkenberg am Flügel. Klingt doch verlockend. Karten gibt es schon zu kaufen.