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06.10.2023 Erfurt - Engerling Bericht: Rüdiger Schütz / Fotos: Antje Schure
Man lernt immer wieder neue „locations“ kennen. Diesmal besuchten wir den „Museumskeller“ in Erfurt, für den am 6. Oktober 2023 ein Engerling- Konzert angesagt war. Uns erwartete ein weit unter der Erde gelegener typischer Studentenkeller (wer den Rosenkeller in Jena kennt, weiß, wie er ausgestattet ist), der ein großartiges, ganz besonderes Flair hat. Hier braucht auch kein Tontechniker ins Schwitzen zu kommen, denn die Akustik ist in solchen Tonnengewölben einfach immer super. Zur Verköstigung gab es neben allen bekannten Getränken (Blueser - und damit sind die weiblichen und männlichen Fans dieser Musiksparte gemeint - trinken meist nur Bier) und „Fettbemmen“ und herrliche „BoWu“. Die „Engerlinge“ spielten in der aktuellen Stammbesetzung mit Manne Pokrandt am Bass, Hannes Schulze, der Sohn Wolfram Bodags, am Schlagzeug, Heiner Witte, Gitarre und natürlich mit Hannes Wolfram Bodag an allen Tasteninstrumenten. Mit der branchenüblichen viertelstündigen Verspätung begann ab 20.15 Uhr ein sehr schönes Konzert mit doch ein paar Besonderheiten oder Überraschungen. Der „Museumskeller“ hatte sich seit 19.00 Uhr sichtlich gefüllt. Die wenigen Sitzplätze in der Nähe der Theke waren schnell belegt und die „Tanzfläche“ war meist überfüllt. Nur wenige Takte nach Beginn des Konzerts gingen alle Gäste begeistert mit, an der Spitze die „Edelfans“, die natürlich oft textsicher mitsangen. Da der Blues oder der Bluesrock, den ja Engerling oft spielt, sehr rhythmisch ist, beobachteten wir einige Gäste weiblichen Geschlechts mit Bewunderung, da sie sich während des gesamten Konzerts (und das dauerte - mit einer satten halben Stunde Pause - bis 23.30 Uhr) sehr taktsicher bewegten, eine sportlich beeindruckende Leistung! Im Repertoire der Engerlinge befanden sich solch bekannte Titel wie „Mama Wilson“, „Narkoseblues“, „Erlkönig“, alles mit deutschen Texten. Es wurde aber auch solche Kulttitel wie „Eve of Destruction“ (sehr aktuell für die heutige Zeit) und der Rolling-Stones-Hit „Play With Fire“ - Bodag meinte, das man ihn gehörig „aufgepimpt“ habe - geboten. Überraschend kam z.B. der Titel „Tom Tomski Blues“ ins Programm, den Bodag mit seiner Armeezeit in Verbindung brachte und „Engerlings Blues wurde von ihm mit dem Prädikat („… den spielen wir auch nicht immer…“) versehen. An dieser Stelle muss etwas zur Überschrift gesagt werden. Wir stellten fest, dass das Programm der Engerlinge in Erfurt von denen, die wir zuletzt gehört hatten, in einigen Punkten doch abwich. Nach dem Konzert fragten wir den Bassisten Manne Pokrandt, ob wir die Titelliste bekommen könnten. Seine Antwort war eben die aus der Überschrift. Will heißen, dass das Quartett so vollständig aufeinander eingestimmt ist, dass es keiner auf dem Bühnenboden aufgeklebten Titelliste bedarf. Das erledigt Bodag mit seinen einleitenden Worten für den kommenden Titel und alle wissen ganz genau, was jetzt wie und wie lange gespielt wird. Apropo lange spielen: Engerling ist ja dafür bekannt, dass man einen eigentlich nur 4 bis 5 Minuten dauernden Song im Konzert locker auf 15 bis 20 Minuten ausdehnt, versehen mit allen möglichen Soli und verschiedensten musikalischen Anleihen. So geschah es auch in Erfurt, dass beim Narkoseblues fast eine halbe Stunde gespielt wurde und dabei zur Überraschung von einigen Zuhörern Passagen von Renfts Apfeltraum und dem Klassiker Quantanamera eingefügt wurden, ähnliches geschah auch bei den ins Programm aufgenommenen Stonestiteln. Ein feines, klassisch zu nennendes Engerling-Konzert, dass für den Blues Fan alles enthielt, was er sich wünschte. Es bleibt zu hoffen, dass der mittlerweile 73-jährige Bodag (der topfit wirkte, alle Texte ohne irgendwelche optischen Hilfen vortrug und überragend an den Tasteninstrumenten agierte) noch lange spielen kann und wir noch so manches Engerling-Konzert genießen können.
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„Eine Titelliste? Die hätte ich auch gerne!“