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27.06. + 28.06.2025 Neuruppin - Klassentreffen der Ostmusik Tag 1 Bericht: Peter Günther (2025) / Fotos: Steffen Kaupke + Peter Günther
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Es waren Glücksmomente am Stück während des großen Klassentreffens der Ostmusik am vergangenen Wochenende in Neuruppin, einem Event der Sonderklasse mit Musik aus dem Osten in einem beeindruckend breiten Spektrum: Von Rock, Jazz Rock, Soul, Gospel Musik, Punk und Liederkabarett war alles dabei, präsentiert von namhaften Bands und Künstlern aus dem Osten des Landes. In dieser Form bisher einmalig.
An dieser Stelle ein Riesendank an die Organisatoren, eingeschlossen die vielen Helfer und Techniker vor und hinter der Bühne, welche einen fast reibungslaufen Ablauf gewährleisteten. Dabei möchte ich erwähnen, dass in der Nacht zum Freitag ein Unwetter über Neuruppin zog und in den schon aufgebauten Kulissen für das Festival nicht zu unterschätzende Schäden hervorrief. Bis kurz vor Beginn am Tag der Veranstaltung wurden die Schäden behoben und reguliert. An beiden Tagen zog es viele Anhänger zum Ort des Geschehens. Es war nicht nur für die beteiligen Musiker ein Klassentreffen, auch für die aus nah und fern angereisten Besucher vor den Bühnen. Viele erkannte ich vom Sehen von anderen Konzerten wieder. Schon zum Auftakt am ersten Tag war ein hochkarätiges Programm mit vielen Überraschungen angekündigt. Mit der passenden Hymne „Unsere Zeit“ zum Ostmusik-Thema eröffnete Hans die Geige gegen 15.30 Uhr auf der großen Bühne den musikalischen Reigen. Nach einer ersten Moderation von Jürgen Karney (Moderator der DDR TV Sendung Bong) folgten drei weitere Titel von ihm. Ein stimmungsvoller Beginn am Spätnachmittag auf dem Gelände des Hangars in Neuruppin war damit eingeleitet.
Die nächsten Bühnenakteure waren „Perl“, welche sich extra für diesen Tag nach vielen Jahren wieder zusammengefunden hatten. Von Anfang an damals dabei Sven Hertrampf, der an diesem Abend die Trommelstöcke schwang. In ihrem ca. 30 Minuten währenden Auftritt erklang selbstverständlich auch ihr Überflieger-Titel „Zeit, die nie vergeht“ aus den 80er Jahren, welcher monatelang die Hitlisten der DDR anführte.
Mit Angelika Weiz ging es auf der zweiten Bühne übergangslos weiter. Die seit Jahren erfolgreiche Jazz-Gospel-Sängerin wurde vom Gitarristen Charlie Eitner und seinen musikalischen Freunden begleitet. In ihren vierzigminütigen Auftritt gelang es allen beteiligten Musikern ihr musikalisches Können zu zeigen und das mit einer musikalischen Spielfreude, die sofort auf das Publikum übergriff. Der exzellente Gesang von Angelika Weiz brillierte ausdrucksstark, prägnant, begleitet von einer Aura, der man sich nicht entziehen konnte: einfach eine Meisterleistung! Zur Krönung dann am Ende ihre Interpretation von dem uns allen bekannten Volkslied „Unsre Heimat“ - ein musikalisches Kleinod.
Während des Auftritts von Angelika Weiz wurde die Bühne 1 umgebaut für Pascal von Wroblewsky und Bajazzo, welche dann gemeinsam von Jürgen Karney und dem nun auch eingetroffenen Karsten Speck (Schauspieler und Moderator) angekündigt wurden. Die Jazz-Rock-Sängerin Pascal von Wroblewsky bestach mit den versierten Musikern von Bajazzo mit einem wuchtigen Jazz-Rock-Programm. Die Titelauswahl ihres 45 Minuten langen Programms wurde vordergründig von internationalen Standards dominiert.
Der anschließende Auftritt von „Zerfall“ bot Musik ganz anderer Art: Punk war angesagt. Vor der Bühne erfolgten Jubelgesänge, als die Musiker begannen. Ich selbst bin mit dieser Musikrichtung wenig vertraut, und die Band an sich ist Neuland für mich. Ich habe die ersten Titel aufmerksam verfolgt, doch, der Leser möge es mir nicht übelnehmen, sie haben mich nicht angesprochen. Ein Liebhaber dieser Musikrichtung sieht das sicher ganz anders. Das zeichnete ja gerade dieses Ostmusik Klassentreffen aus: die Vielfalt an musikalischen Stilen. Mir wurde dabei auch wiederholt bewusst, was für tolle Musik auch außerhalb des Kommerz entstanden ist und ihre Anhänger gefunden hat.
Der geplante Auftritt von den „Skeptikern“ nach „Zerfall“ entfiel. Nun kam eine Band aus den 80er Jahren. Wer hätte es für möglich gehalten, noch einmal „NO 55“ in fast Urbesetzung live zu erleben? Extra für diesen Tag haben sie sich wieder auf der Bühne zusammengefunden. Ich denke, für viele Kenner der Ostmusikszene war dies‘ ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist. NO 55 an diesem Abend waren Frank Gahler (voc, m-harm), Georgi Gogow (b, geige, voc), Gisbert Piatkowski (g, voc), Bernd Haucke (dr) und Thomas Schmidt (keyb) sowie später am zweiten Schlagzeug Nikolai Gogow. Die Emotionen während ihres Auftritts sind kaum wiederzugeben. Titel wie „Schlüsselkind“, „Wenn du nicht da bist“ oder auch das Instrumentalstück „Bulgaria“ (City) rissen die Hörer schon in der Zeit ihres Bestehens in der DDR mit. Dies‘ nun wieder zu hören, noch dazu live, setzte bei mir solche positiven Emotionen frei, dass mich der Gedanke beschlich, es möge immer so weiter gehen. Auch bei NO 55 hatte ich den Eindruck, dass sich die agierenden Musiker wie in einen Rausch spielten und selbst gar nicht aufhören wollten. Auf ihren Song „Kopf oder Zahl“ hatte ich gehofft, er kam aber nicht. Im Anschluss an das Konzert sagte mir Gahla, dass dieser Titel zwar geplant war, doch das defekte Akkordeon von „Pitti Piatkowski“ das leider nicht zuließ. Z um Finale, eigentlich war es zu erwarten, der Überflieger „Am Fenster“, wobei Gogow sein ganzes Können an der Geige zeigen konnte. In mir keimte ein Funken Hoffnung, dass der Auftrittserfolg von „NO 55“ vielleicht auf weitere Konzerte hoffen ließe und der Auftritt keine Eintagsfliege bliebe.
Auf Bühne 2 hatte sich bereits „Rockhaus“ startklar gemacht, auch eine Band der 80er Jahre, welche bis heute trotz diverser Schicksalsschläge aktiv ist und erfolgreich tourt. In ihrem Sechzigminuten-Programm erklangen viele Titel aus ihren 48 Jahren produktiven Schaffens. Zu hören waren u.a. „Blutrot“, „Gefühle“, „Bleib cool“, „Mich zu lieben“ und natürlich ihr wohl bekanntester Hit „I.L.D.“ Bestechend der Gesang von Mike Kilian, dessen Stimme unverwechselbar daherkommt. Mit ihm auf der Bühne waren Reinhard Petereit (g, voc), Michael Haberstroh (dr, voc) und Robert Protzmann (b).
Für den Abschluss des musikalischen Reigens an diesem ersten Tag sorgte die „Stern Combo Meißen“. Die dienstälteste Rockband Deutschlands beeindruckte mit ihren musikalisch abwechslungsreichen Titeln aus Vergangenheit und Gegenwart. Von ihrem gleichnamigen aktuellen Album aus dem Jahr 2024 eröffneten sie ihr Programm mit „Die Himmelscheibe von Nebra“. Später erklang von dieser Produktion noch „In der kalten Nacht“. Ihre Klassiker „Die Sage“ (nach wie vor mein Favorit der SCM), „Der Kampf um den Südpol“ oder „Der Alte auf der Müllkippe“ durften auch nicht fehlen. SCM hat viele musikalische Trends im Laufe ihres Bestehens getragen. Ihre kommerziell erfolgreichste Zeit waren ohne Zweifel die 80er Jahre. Es ist schön, dass auch diese Epoche in ihren Konzerten weiterhin einen Platz hat. Mit „Eine Nacht“, „Nächte“ und „Wir sind die Sonne“ ließen sie diese Revue passieren. Und das Publikum dankte mit Gemeinschaftsgesang und stürmischem Applaus. Auf der Bühne standen Martin Schreier (perc, dr, voc), Manuel Schmid (voc, keyb), Axel Schäfer (b), Michael Lehrmann (g), Frank Schirmer (dr), Sebastian Düwelt (keyb). Ein bemerkenswerter Konzertabend war gegen 22.30 Uhr zu Ende. Um mich herum zufriedene und dankbare Gesichter mit großen Erwartungen an den zweiten Tag des Ostmusik Festivals in Neuruppin.